„Ich habe selten einen so vollen Saal gesehen“, hebt Prof. Dr. Beate Küpper zu Beginn ihres Impulses bei der diesjährigen Demokratiekonferenz hervor. Sie hat vor über 200 Menschen im Gemeindehaus der Christuskirche in Minden-Todtenhausen deutlich gemacht weshalb es notwendig ist selbst aktiv zu werden und sich für die liberale Demokratie einzusetzen. Die Demokratie ist hochkomplex und sie ist anstrengend, so die Mit-Autorin der „Mitte-Studie“. Aber wir dürfen jetzt nicht von Würde und Gleichberechtigung wegrücken, das haben wir uns lange erarbeitet.
Einsamkeit, Unübersichtlichkeit, Kriege, Inflation, Klimawandel und auch Migration und Digitalisierung sind weltweite Herausforderungen. Ihnen muss nicht nur global, sondern auch auf der lokalen Ebene begegnet werden, auf sie müssen Antworten gefunden werden. Die Auseinandersetzung und die Beschäftigung damit setzt nicht nur Ideen und in die Zukunft gerichtete Ansätze frei. Sie können auch Gegenwehr und Ablehnung erzeugen. „Gerade in krisenhaften Zeiten ist ein konstruktiver Umgang wichtig“, so Prof. Dr. Küpper. Man muss miteinander über die Kompliziertheit sprechen und sich nicht voneinander abschotten. Wer sich von den Krisen und Kriegen persönlich überfordert fühlt, steigt leichter aus der Gesellschaft aus, verdeutlicht Küpper.
Gerade vor dem Hintergrund der erst kürzlich stattgefundenen US-Wahl, wirft die studierte Psychologin einen Blick auf den Zustand der Demokratie weltweit. Momentan gibt es wieder mehr Länder, die autokratisch und eben nicht demokratisch regiert werden. Hier sollten auch Verwaltungen, die Polizei und auch Lehrer*innen ihre politische Neutralität überdenken. „Man muss der Demokratie gegenüber eben nicht neutral sein. Werbung für die liberale Demokratie muss auch im öffentlichen Dienst notwendig und möglich sein“, merkt Prof. Dr. Küpper an.
Die Studie „Die distanzierte Mitte. Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2022/23“ zeigt, dass acht Prozent der Deutschen ein gesichertes rechtsextremes Weltbild haben. Sie stimmen unter anderem ausländerfeindlichen und antisemitischen Aussagen zu und sind der Meinung, dass es „wertvolles und unwertes Leben“ gibt. Diese Menschen kann man nicht mehr erreichen. In den Blick nehmen müssen wir die 20 Prozent, die im Graubereich liegen. An sie kann man auch argumentativ noch herankommen, so die Referentin.
Und wie schafft man das? Indem Orte der Begegnung geschaffen werden. Davon gibt es bereits eine Menge, so auch in Minden. Das sind Volkshochschulen, Sportvereine, interkulturelle Treffpunkte, Chöre – also Orte, an denen man sich austauscht, mit anderen in den Kontakt kommt und sich miteinander beschäftigt. Die neuen Rechten haben verstanden, dass hier Anknüpfungspunkte für ihre Zwecke zu finden sind. „Wir dürfen den vorpolitischen Raum denen aber nicht überlassen“. Auch Kirchen und religiöse Verbände sind wichtige Brückenbauer für unsere Demokratie.
Diskussionen, Teilhabe, Aufklärung und Ermutigung bilden die Basis der Demokratie. Wir alle bewegen uns auf dem Feld der Demokratie und das mit einer demokratischen Werthaltung. Demokratiebildung ist eine Querschnittsaufgabe. Die Förderung und Stärkung demokratischer Prinzipien und Werte kann nicht durch eine einzelne Institution erfolgen. Stattdessen betrifft und durchdringt diese Aufgabe verschiedene gesellschaftliche, politische und institutionelle Bereiche. Es geht darum, dass Demokratie in allen Bereichen des öffentlichen Lebens – sei es Bildung, Wirtschaft, Recht, Kultur, Medien oder Verwaltung – gefördert und gelebt werden sollte. Sie sollte von uns allen als gesamtgesellschaftliche Verantwortung verstanden werden. „Wer andere mitnimmt, mit ihnen gemeinsam bei einer Demo steht und zusammen mit ihnen mutig ist, stärkt unser System“, gibt Beate Küpper den Teilnehmenden mit auf den Weg.
Erstmals fand die Demokratiekonferenz der Stadt Minden im Rahmen des Forums Christuskirche statt. Das Forum setzt sich in diesem Jahr mit „Demokratie und Miteinander stärken – wann, wenn nicht jetzt“ auseinander. Innerhalb dieses Themenkomplexes sucht die Gemeinde in Todtenhausen und Kutenhausen für das Forum Christuskirche jeweils ein Thema aus, das momentan von besonderer gesellschaftlicher Relevanz ist.
Im Jahr 2024 ist das die Demokratie. Einerseits gilt es, das 75jährige Bestehen des Deutschen Grundgesetzes und dessen Bedeutung für das freiheitlich-demokratische Miteinander im Land zu würdigen. Andererseits häufen sich Anlässe, sich um den Fortbestand demokratischer Strukturen Sorgen zu machen.
An den Impuls von Prof. Dr. Beate Küpper schloss sich eine Podiumsdiskussion an. An der neben der Referentin auch Landrat Ali Doğan, Superintendent Michael Mertins und Guido Niemeyer von der Mindener Volkshochschule teilnahmen. Die Diskussion moderierten Pfarrerin Katja Reichling und Michael Buhre.