Mindener Museum

Objekt im Fokus in den Monaten September und Oktober


Das Objekt im Fokus im September und Oktober ist die Keramikfigur eines Mädchens in Holtruper Abendmahlstracht. Die Figur ist Teil einer Gruppe von 33 weiteren Figuren, die Trachten aus der Region Minden-Lübbecke zeigen. Gefertigt wurden diese zwischen 1981 und 1987 von der Mindenerin Lina Vilz (1914-2011). 2005 gelangten die Objekte als Schenkung in die Sammlung des Museums. Bis 2010 wurden Teile der Gruppe in der Dauerausstellung präsentiert.

Lina Vilz hat die Keramikfigur aus Ton modelliert. Dabei wird die Form über mehrere Tage getrocknet und dann gebrannt, um sie zu festigen. Die gebrannte Masse – der Scherben – wird bemalt und glasiert. Die Glasur besteht aus einer dünnen Glasschicht. Der Scherben wird dann erneut gebrannt, damit die Farbe und die wasserdichte Glasur aushärten. 

Die Keramikfigur zeigt eine Holtruper Abendmahlstracht. Diese besteht aus einem schlichten schwarzen Kleid, einer weißen Schürze und einem weißen Schultertuch. Sie wird zu besonderen kirchlichen Feiertagen und Anlässen wie der Hochzeit getragen. Unter der kleinen weißen Mütze ist eine blaue Haube mit langen blauen Bändern zu erkennen. Diese wird ab der Konfirmation – der Aufnahme der evangelischen Jugendlichen in die Gemeinde der Erwachsenen – bis zur Hochzeit getragen. In der Kunst wird die blaue Farbe traditionell mit der Jungfrau Maria verbunden. Die Verknüpfung von Jungfräulichkeit mit der Farbe Blau wurde in der Tracht übernommen. 

Im Raum Minden-Lübbecke entwickelten sich bäuerliche Trachten im Wesentlichen im 19. Jahrhundert. Sie dienten unter anderem zur Stärkung der lokalen Identität. Das Erscheinungsbild der verschiedenen Trachten unterscheidet sich je nach Zugehörigkeit zu einem „Kirchspiel“. Daher sehen die Trachten in Minden anders aus als in Bückeburg oder Holtrup.

Trachten zeichnen sich durch eine Art eigene Sprache aus. Die Träger*innen signalisieren sowohl ihre Zugehörigkeit zu einer Region und zu sozialen Gruppen als auch ihre aktuellen Lebensumstände. Besonders die verschiedenen Phasen der Trauer werden durch spezielle Kleidungsstücke und Farben angezeigt. Die Phase außerhalb der Trauerzeit nennt man Freudenzeit. In dieser Phase sind die Kleidungsstücke der Tracht schmuckvoll verziert und bestickt. Rechtsseitig der Weser wird Freude traditionell durch die Farbe Rot in den Trachten repräsentiert.

Trotz festgelegter Konventionen unterliegt auch die Tracht modischen Strömungen und Veränderungen. Die Träger*innen bestimmen die Qualität und die Art des Trachtenstoffes sowie die Ausführungen der Stickereien und Verzierungen. Außerdem beeinflussen städtische Moden und benachbarte Trachten das generelle Aussehen einer Tracht. So wurden durch den Einfluss der Bückeburger Tracht im Holtruper Trachtengebiet nach 1890 kurzärmelige statt langärmelige Jacken getragen. 

Vereinzelt wurden Trachten bis nach dem 2. Weltkrieg (1939-45) getragen. Bereits 1916 soll in Holtrup die letzte Konfirmation in Abendmahlstracht stattgefunden haben. Dennoch erhalten vereinzelte Vereine die Tradition bis heute aufrecht. So präsentiert eine Holtruper Trachtengruppe die Trachten regelmäßig bei Veranstaltungen. 


Bis zum 27.10.2024 können Sie in der aktuellen Sonderausstellung „Mut zur Farbe“ des Mindener Museums unter anderem mehr über die Bedeutung der Farben innerhalb der Tracht im Minden-Lübbecker Raum erfahren.

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