In drei Monaten soll sich der rote Samtvorhang im Stadttheater Minden wieder schwungvoll öffnen. Denn dann heißt es am 16. April „Bühne frei“ für „Chocolat“ – eine Komödie mit dem Schauspieler-Ehepaar Ann-Kathrin Kramer und Harald Krassnitzer. Die Vorstellung ist fast ausverkauft. Bis Ende März aber haben noch die Handwerker*innen im Stadttheater die Hauptrolle. Dann sollen die seit dem 4. April 2022 laufenden Sanierungs- und Modernisierungsarbeiten abgeschlossen sein. Im Anschluss erfolgen noch brandschutztechnische und bauordnungsrechtliche Abnahmen, so dass in den Osterferien die große Reinigung und das Einräumen laufen kann.
Der Beigeordnete für Finanzen und Gebäudewirtschaft, Norbert Kresse, und Theaterleiterin Andrea Krauledat sind zuversichtlich, dass Mitte April nach rund einjähriger Bauphase wieder die Künstler*innen und das Publikum in das 1908 erbaute Haus einziehen können. „Der Generalplaner rechnet aktuell nicht mehr mit Abweichungen vom jetzigen Zeitplan“, berichtet Kresse. „Das Ergebnis kann sich schon jetzt sehen lassen“, stellt der Beigeordnete bei einem Rundgang in der ersten Januarwoche zufrieden fest.
Seit dem 21. Dezember ist das saalfüllende Gerüst endlich abgebaut, so dass es mit großen Schritten weiter vorangeht. Elektriker sind dabei, den großen Kronleuchter wieder „zusammen zu puzzeln“. Die polierten Einzelteile des großen Leuchters im Saal liegen auf einer Decke. Immer wieder wird das Seil, an dem der Leuchter hängt, rauf und runter gefahren – elektrisch. Auch das ist eine Neuerung. Bisher musste der Kronleuchter jeden Sommer zum Großputz mit einer Handkurbel heruntergeholt werden. Und auch sonst ist es recht wuselig auf der Baustelle.
Inklusive einer Reserve von 500.000 Euro stehen rund 12 Millionen Euro zur Sanierung des Stadttheaters zur Verfügung. Investiert wurde vor allem in eine Vielzahl von Brandschutzmaßnahmen sowie in die Modernisierung der technischen Anlagen – wie Lüftungs- und Sanitäranlagen. Das weitere Herzstück der aktuellen Sanierung ist eine ganz neue Bühnentechnik. Darüber freuen sich Leiterin Andrea Krauledat und Bühnenmeister Michael Kohlhagen ganz besonders. Vieles wird nun künftig möglich sein, was bisher nicht ging.
Jeder einzelne der elektrisch angetriebenen Kulissenzüge kann künftig mit 400 Kilogramm belastet werden. „Die Bandbreite der Produktionen wird sich dadurch erhöhen, weil doch einige hier aus technischen Gründen gar nicht umsetzbar waren“, so Krauledat. Ganz oben – in 16 Metern Höhe des Schnürbodens – blinken schon die neuen, digitalen Anlagen. An insgesamt 27 Traversen – fünf mehr als bisher - können Vorhänge, Bühnenteile, Requisiten und Scheinwerfer nun ganz einfach raufgezogen oder abgesenkt werden. Vorher – mit den alten Handkonterzügen - war dafür viel Muskelkraft nötig. „Es wird künftig auch möglich sein, dass Schauspieler über der Bühne schweben“, ist Krauledat begeistert.
Im Laufe der Sanierung erhielt der Saal einen neuen Innenanstrich. Dafür musste er komplett eingerüstet werden. Der Orchestergraben bekommt in Kürze noch eine neue Akustik und ist schon mit elektrischer statt hydraulischer Hebetechnik ausgestattet. Im Eingangsbereich gibt es künftig ein schickes, halbrundes Kassenhäuschen aus Glas und im Foyer einen flexiblen Tresen. Im Erdgeschoss wurden zwei neue Behinderten-WCs eingerichtet. Alle vorhandenen Toilettenanlagen sind saniert und auch das Theatercafé (TiC) erstrahlt in neuem Glanz. „Alle Leitungen hier wurden unter Putz und unter die neu eingezogene Decke verlegt“, so Kohlhagen.
Per Knopfdruck wird künftig der elegante rote Samtvorhang zur Seite schweben. Dieser ist zurzeit – wie auch viele Scheinwerfer und andere Technik - eingelagert. „Die Zuschauer*innen werden einiges Neues bemerken – natürlich auch die deutlich bessere Lüftung“, ist sich Andrea Krauledat sicher. Neu ist auch das noch fest in Folie eingepackte Technik-Pult. Die Steuerung von Ton und Licht ist vom dritten Rang nach unten in den Saal ganz hinten umgezogen. Das bedeutet für die Techniker*innen, dass sie künftig einen viel besseren Blick auf die Bühne haben. Einige Sitzplätze in den hinteren Reihen des Saals sind dadurch entfallen.
Zwei Mal musste das vom Generalplaner festgelegte Bauzeitenende weiter nach hinten geschoben werden. Hauptsächlich verantwortlich für die zeitlichen Verzögerungen waren krisenbedingte Personal- und Materialengpässe, berichtet der Beigeordnete Kresse. Gebuchte Veranstaltungen mussten durch die längere Bauzeit Ende 2022 in andere Räumlichkeiten und an spätere Termine verlegt werden. Eine Teil-Inbetriebnahme kam zu keinem Zeitpunkt in Frage. Es sollte alles komplett fertig sein, wenn der Spielbetrieb wieder aufgenommen wird, so Kresse. Daher wurde zuletzt auch ein Zeitpuffer für die verbliebenen Maßnahmen eingebaut.
„Es wäre gut gewesen, wenn wir den benötigten Zeitraum vorher gekannt hätten“, sagt Norbert Kresse beim Rundgang durch die Baustelle. Eigentlich war geplant, das Theater Anfang November 2022 wieder zu öffnen, aber das konnte angesichts der aktuell schwierigen Bedingungen im Baubereich nicht umgesetzt werden. „Der ursprüngliche und sehr ambitionierte Zeitplan – vor dem Ukraine-Krieg aufgestellt – ließ sich leider am Ende nicht realisieren“, so der Beigeordnete.
Dass es gut voran geht, werden in Kürze Autofahrer- und Radfahrer*innen positiv bemerken Denn bis Ende des Monats soll die am Klausenwall eingezogene Fahrspur wieder freigegeben werden. Der Platz wurde seit April 2022 für Container und Material der Fachfirmen benötigt.
Nun wird fest damit geplant, dass das Theater Mitte April öffnen kann. Mehr als 60 Veranstaltungen, Workshops und Theater-Führungen mussten geschoben oder in andere Räumlichkeiten verlegt werden - ein Kraftakt für das Theater-Team, das schon mitten in der Aufstellung des Programms für die Saison 2023/24 steht. Diese beginnt gleich mit einem Höhepunkt: Zusammen mit dem Wagner-Verband Minden und der Nordwestdeutschen Philharmonie bringt das Theater in Eigenregie im September 2023 sieben Vorstellungen der Wagner-Oper „Parsifal“ auf die Bühne.
„Darauf, aber auch auf den hochdotierten Burgtheater-Schauspieler Philipp Hochmair, das Schauspielerpaar Elena Uhlig & Fritz Karl oder die Rocky Horror Show im November kann sich schon jetzt das Publikum freuen. Alle bestehenden Abos laufen in der kommenden Spielzeit weiter, wenn sie nicht ausdrücklich gekündigt wurden“, so Andrea Krauledat. Die Abo-Inhaber*innen werden darüber alle informiert. Alle gekauften Karten für die ursprünglich von Januar bis Mitte April 2023 geplanten und verschobenen Veranstaltungen behalten ihre Gültigkeit. Unter "Mehr Infos" finden Sie die Übersicht der verlegten Veranstaltungen.
Die folgende aktuelle Veranstaltung des Stadttheaters findet wie geplant, aber an einem geänderten Veranstaltungsort statt:
Bernd Gieseking: Ab dafür! Der satirische Jahresrückblick 2022 am 1. und 2. Februar 2023, ab 20 Uhr in der Aula der Freien Waldorfschule Minden (Haberbreede 37), Minden.