Das Objekt im Fokus der Monate März und April ist der „Führer durch die Sammlungen des Heimat-Museums Minden i.[n] W.[estfalen]“ aus dem Jahr 1922. Herausgeber des ersten Museumsführers in der über 100jährigen Geschichte des heutigen Mindener Museums war der erste ehrenamtliche Leiter Max Matthey (1876-1951). Anlass der Herausgabe war die feierliche Einweihung des Heimatmuseums am 20. September 1922.
Mehr als ein Jahrzehnt lang hatten der Erste Weltkrieg, die Revolution und die Inflation die offizielle Eröffnung des bereits 1912 gegründeten Museums verhindert. Durch diese tiefen Zäsuren gerieten die eigentlichen historischen Wurzeln des damaligen Heimatmuseums vor 1914 rasch in Vergessenheit. Die feierliche Eröffnung und die gleichzeitige Veröffentlichung des ersten Museumsführers im September 1922 prägten auf Jahrzehnte die kollektive Erinnerung vieler Generationen. Den Einweihungsakt 1922 sahen bis 2012 alle früheren Museumsleiter als Geburtstag des Mindener Museums an. Dabei trug Max Matthey als erster Leiter und Herausgeber des Museumsführers wesentlich zur Legendenbildung und zum Gründungsmythos bei.
Der Museumsführer beschreibt auf insgesamt 48 Seiten detailliert die einzelnen Räume mit ihren jeweiligen Exponaten. Neben einem Plan der Räumlichkeiten im Haus Ritterstraße 23 finden sich zahlreiche schwarz-weiß Abbildungen in der Broschüre, eine für die damalige wirtschaftlich schwierige Phase eher ungewöhnliche, moderne Präsentationsform. Zusätzlich ließ Matthey eine Postkartenserie auflegen, die er dem Museumsführer beilegte, aber auch lose verkaufte. Damit wollte er die finanziellen Spielräume des Museums erweitern.
Einleitend betonte Matthey in dem Museumsführer, das städtische Museum sei ein „Heimatmuseum“. Es habe sich zur Aufgabe gemacht, die historische und kulturgeschichtliche Entwicklung der alten Stadt Minden und Umgebung in ihrer althergebrachten, besonderen Eigenart zu veranschaulichen. Der liberale Mindener Bürgermeister Dr. Carl Dieckmann hob dagegen bei der Eröffnung hervor, das Museum habe einen identitätsbildenden, nationalpolitischen Auftrag: Ein Blick auf alte Lebensweisen, ein Blick in die Kultur der Vorfahren, würde Heimatgeist und Heimatsinn wecken sowie die Liebe zur deutschen Erde und über die engere Heimat hinaus die Liebe zum großen deutschen Vaterlande entfachen.
Das Museum wurde diesem Anspruch aber nicht gerecht. Matthey erweiterte die Sammlungen des mit den bestehenden Kreis- und Altertumssammlungen vereinten „Heimatmuseums“ in den 1920er und 1930er Jahren um zahllose Objekte. Er war aber als museologischer und wissenschaftlicher Laie zu einer fach- und sachgerechten Inventarisierung und Lagerung nicht befähigt. Eine systematische Präsentation oder didaktische Aufbereitung der teilweise kaum von einem Magazin zu unterscheidenden Schausammlung unterblieb. Ebenso fanden Öffentlichkeitsarbeit oder andere Bildungsaktivitäten kaum statt. Damit stand Matthey keineswegs allein, sondern reihte sich nahtlos in die Riege der überwiegend akademisch nicht ausgebildeten Laien unter den Leitern der westfälischen Regionalmuseen ein. Dies erklärt auch, warum der Museumsführer 1929 in zweiter, unveränderter Auflage erschien, obwohl das Heimatmuseum seit 1922 um zahlreiche Exponate gewachsen war.