„Europäische Friedensuhr“ am Rathaus soll verpackt werden


Der russische Angriff auf die Ukraine bewegt auch die Mindener Bürgerinnen und Bürger sehr. Wie sehr – das machte in den vergangenen drei Wochen die kontroverse Diskussion um die „Europäische Friedensuhr“ am Mindener Rathaus deutlich, die seit dem 24. Februar in den lokalen Medien, im Internet und auch im jüngsten Haupt- und Finanzausschuss der Stadt Minden geführt wurde und wird. Nun soll die digitale Uhr - so das Ergebnis eines Gespräches am Dienstagnachmittag - professionell verpackt und mit einer Fahne verhüllt werden, aber unsichtbar für alle weiterlaufen. Damit soll auch die Trauer um die Opfer des Krieges und die Solidarität mit der Ukraine ihren deutlichen Ausdruck finden.

Eine ukrainische Nationalfahne in den Farben Blau und Gelb verdeckt seit dem 28. Februar 2022 die „Europäische Friedensuhr“ am Rathaus, die im Juli 2021 eingeweiht wurde. Durch die Fahne sichtbar laufen die Leuchtziffern der digitalen Uhr aber weiter, die die Zeit des Friedens ab dem 8. Mai 1945 – das Ende des Zweiten Weltkrieges – in den Ländern der Europäischen Union zählt. Weil aber das Projekt „Europäische Friedensuhr“ heißt und es derzeit keinen Frieden im gesamten Europa gibt, wurde Kritik am Weiterlaufen der Zeit laut. An der Uhr gab es seit dem 24. Februar auch mehrere Versammlungen und friedliche Demonstrationen, Blumen wurden niedergelegt.

Das Verhängen der Uhr mit der Fahne hatte die Gesellschaft zur Förderung Internationaler Städtepartnerschaften e.V. (GeFIS) als Eigentümerin veranlasst. Dieses reichte und reicht jedoch vielen Mindener Bürger*innen, die vor allem in den sozialen Medien diskutieren, und auch den meisten Fraktionen im Rat der Stadt Minden nicht aus. Die Uhr werde als ein Symbol des Friedens gesehen, den es derzeit in Europa nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine so nicht gebe. Das wurde auch in einem Online-Gespräch am Dienstag, 15. März, deutlich, zu dem Bürgermeister Michael Jäcke eingeladen hatte.

An der Videokonferenz nahmen neben den Vorsitzenden der sieben Fraktionen im Rat der Stadt Minden auch die Vorsitzende der GeFIS, Ute Hannemann, und ihr Stellvertreter Heinrich Wiese sowie Vertreter*innen von drei Lions Clubs (Minden, Porta Westfalica und Porta Westfalica-Judica)  teil, die das Projekt „Friedensuhr“ ideell und finanziell unterstützt haben. Mit dabei war auch Pfarrer Bernhard Speller, der den Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises vertrat.

Anhalten, ganz ausschalten, weiter mit einer Flagge verhängt oder „normal“ weiterlaufen lassen? Diese Optionen wurden in dem 75-minütigen Gespräch am Dienstagnachmittag diskutiert. Die Mehrheit der im Rat vertretenen Fraktionen sprach sich angesichts des Krieges, den Russland gegen die Ukraine aktuell führt, zu Beginn der Diskussion für ein Anhalten der Uhr aus. Den Begriff „Europäische Friedensuhr“ verbänden die meisten Bürger*innen mit ganz Europa und nicht – wie es eine angebrachte Tafel an der Uhr am Scharn erklärt - mit dem nach wie vor anhaltenden Frieden in den 27 Ländern der Europäischen Union. In diese Richtung gingen zunächst die meisten Argumente, die für ein Anhalten oder ganz Abschalten der Uhr aus der Politik angeführt wurden. Die Welt stehe vor einer Zeitenwende, die man so nicht ignorieren dürfe, war einer der weiteren Beiträge.

Die Vorsitzende der GeFIS, Ute Hannemann, und ihr Stellvertreter Heinrich Wiese vertraten weiterhin die Auffassung, dass der europäische Friedensprozess, der mit der Montanunion begann und zur Bildung der EU führte, unbeschädigt ist und es deshalb falsch wäre, die Uhr anzuhalten. Die Uhr symbolisiere diesen Friedensprozess, so Hannemann und Wiese. Die Friedensuhr steht für das Friedensprojekt Europa, das das wesentliche Motiv für die Gründung der Union war. Dieses Projekt ist nicht durch den aktuellen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine zerstört.

Auch die Vertreterin und die Vertreter der Lions Clubs, Professor Berthold Gerdes, Michael Paul, Sven Thomas und Christiane Wilkening teilten die Sorgen und Bedenken vieler Mindener*innen und der Politik, vertraten aber die Meinung, dass die Uhr nicht einfach angehalten werden sollte. „Die Zeit des Friedens in den Ländern der EU hat Putin nicht angehalten“, warf Prof. Gerdes ein und sprach sich - wie auch Bürgermeister Michael Jäcke - für eine bessere Erklärung der Uhr aus. Keine Antwort fand sich auf die ebenfalls diskutierte Frage, was ist, wenn die Uhr angehalten (mit der Zeit des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine) und der Krieg wieder beendet ist. „Welche Zeit soll sie dann anzeigen?“, wurde als Frage in die Runde gestellt.

Ein Vorschlag von Lions-Mitglied und Verleger Sven Thomas, die Friedensuhr „einzupacken“, so lange der Krieg in der Ukraine andauert, wurde dann von allen Beteiligten nach sehr konstruktiver Diskussion als gute Lösung begrüßt, die auch die Solidarität der Mindener*innen mit den Bürger*innen der Ukraine symbolisiert. Hartmut Freise (Vorsitzender der FDP-Fraktion) griff diese Anregung auf und schlug vor, die Uhr wenn schon nicht anzuhalten und zurückzustellen auf den 24. Februar 2022, sie in ein Tuch einzupacken. Auf einer separat anzubringenden Informationstafel sollte erläuternd darauf hingewiesen werden, dass die Uhr als Ausdruck der Anteilnahme mit der Bevölkerung der Ukraine so lange verhüllt bleibt, wie der Krieg andauere.

Die Friedensuhr soll nun professionell und blickdicht verpackt werden. Die ukrainische Fahne wird weiter am Rathaus hängen. Das wird die GeFIS nun mit Unterstützung der Lions Clubs kurzfristig so umsetzen. Ein entsprechender Hinweis wird auch auf der Gedenktafel angebracht.

Informationen zur Friedensuhr und zur Intention der Projektträger
Die am 2. Juli 2021 enthüllte Europäische Friedensuhr ist ein Projekt der Gesellschaft zur Förderung Internationaler Städtepartnerschaften e.V. (GeFIS). Der Europaabgeordnete David Mc Allister hatte anlässlich der Einweihung im vergangenen Jahr gesagt: „Lassen Sie uns daran arbeiten, dass diese Uhr nie stehen bleibt!“ Damit wollte er verdeutlichen, dass der gewohnte Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist.

Finanziell und ideell wurde das Projekt von drei Lions Clubs aus der Region und durch den Verfügungsfonds „Historische Innenstadt Minden“ der Stadt Minden unterstützt. Die Stadt Minden hat die Fläche zur Anbringung der Uhr am Rathaus (Gebäudeteil Scharn) zur Verfügung gestellt und ist nicht Eigentümerin.

Bereits im Vorfeld und auch bei der Einweihung wurde deutlich gemacht, dass die Zeit, die diese Uhr zählt, die Dauer des Friedens zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zeigt und nicht für den Frieden auf dem Kontinent Europa steht, da es ja bekanntlich die Balkan-Kriege (1991-2001) gab. Ein am Rathaus (Scharn) angebrachtes Schild verweist darauf, dass die Uhr für die Friedens-Versicherung und für die Versöhnung von europäischen Ländern/Völkern steht, die in der Vergangenheit Krieg geführt haben.
Die zuerst wirtschaftliche Zusammenarbeit der sechs Gründungsstaaten der EG (für Kohle und Stahl) mündete im November 1993 in der Gründung der Europäischen Union. Diese politisch wichtige Entwicklung erfolgte vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges von Menschen und Politikern, die dieses Grauen miterlebt haben. Für diesen Erfolg wurde der EU im Jahr 2012 der Friedensnobelpreis verliehen – eine Anerkennung für mehr als sieben Jahrzehnte Frieden, Versöhnung und Demokratie.

Pressestelle der Stadt Minden, Susann Lewerenz, Telefon 0571 89204, pressestelle@minden.de