Das Mindener Museum ist zwar aufgrund der Corona-Pandemie zurzeit geschlossen. Aber trotzdem möchte das Museumsteam weiter die Vielfalt, die Geschichte und den Dokumentationsstand seiner Sammlung vorstellen. Das „Objekt im Fokus“, das alle zwei Monate ein Objekt der Sammlung frei zugänglich im Foyer des Museums ausstellt und seine Geschichte erzählt, kann im Mai aber zunächst nur digital fortgesetzt werden. Das Objekt im Fokus ist eine jüdische Schabbatlampe aus Messing. Die Lichtampel entspricht einem Typ, der im 18. Jahrhundert entstand und bis in die Mitte des 19. Jahrhundert produziert wurde.
Das Objekt stellt einen Bezug zum diesjährigen Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ her. Außerdem ist das für die Lampe verwendete Material Messing das zentrale Thema der Sonderausstellung „Es wärmt die Form, der Stoff, das Licht“, die das Museum ab 29. Mai zeigt.
Der Schabbat (auch Sabbat genannt) ist der siebte Tag und Ruhetag im Judentum. Der Ruhetag geht von Freitagabend von Sonnenuntergang bis Samstagabend zum Einbruch der Dunkelheit. Am Schabbat besteht das Verbot, Licht zu entzünden. Traditionell entzündet daher die Frau das Licht zur festlichen Mahlzeit am Freitagabend und spricht den ersten von fünf Segenssprüchen. Durch die Segnung und das Licht wird der Schabbat eingeleitet. Die Lampe soll so viel Öl enthalten, dass sie bis zum Ende der Mahlzeit brennt. Oft wurde die Schabbatlampe auch für das Chanukka-Fest genutzt. Chanukka ist das Lichtfest, an dem acht Tage lang an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem gedacht wird. An jedem der acht Tage wird ein Licht entzündet. Traditionell wird eigentlich der acht- oder neunarmige Chanukkia-Leuchter genutzt.
Die Schabbatlampe aus der Sammlung des Mindener Museum besitzt sechs strahlenförmig angeordnete Dochthalter, in denen sich das Öl befand. Unter diesem Stern aus Messing hängt ein Auffangbehälter für herabtropfendes Öl. Der Schaft der Ampel endet in einer Öse, um die Lampe mit der Kette von der Decke zu hängen. Häufig gehörte zu der Lampe auch eine verstellbare „Säge“ aus Messing, durch die die Höhe der Abhängung variiert werden konnte.
Im 17. Jahrhundert wurde eine neue Legierungstechnik in der Messingverarbeitung eingeführt, die die Produktionskosten nachhaltig senkte. Große Messingwerkstätten entstanden in Aachen, Stolberg und Nürnberg. Von Nürnberger Messingwerkstätten ist bekannt, dass sie ab dem 17. Jahrhundert auch jüdische Kult-Objekte herstellten. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden Schabbatlampen fast ausschließlich aus Messing hergestellt. Die Gussformen für die Herstellung der Schabbatlampen waren oft mehrteilig und wurden anhand von gedrechselten Holzmodellen angefertigt. Nach dem Guss wurden die Gussnähte auf einer Drehbank entfernt. Bei der Schabbatlampe aus der Mindener Sammlung wurden bei diesem Arbeitsgang schmückende Linien ausgearbeitet. Einige Exemplare aus der Nürnberger Produktion wurden zusätzlich mit Blumen- oder Blattornamenten verziert. Nur wenige der dort hergestellten Lampen erhielten eine Meistermarke. Charakteristisch für die Nürnberger Produktion war jedoch die in einer barocken Formensprache ausgeführte Kugelkolonne des Schaftes und der Bajonettverschluss. Diese Merkmale finden sich auch bei der Schabbatlampe des Mindener Museums wieder. Eine Meistermarke einer Nürnberger Produktion findet sich nicht.
1995 wurden einige Reparaturen an dem Objekt durchgeführt. So wurden die obere Öse und die Abtropfschale mit Zinn verlötet. Vermutlich wurde auch die neuzeitliche Verschraubung des Schaftes mit der Dochtschale zu diesem Zeitpunkt eingefügt.
Im 20. Jahrhundert verlor die Schabbatlampe durch flächendeckende Einführung des elektrischen Lichts in Wohnhäusern ihre Bedeutung. Zeitschaltuhren umgehen heute das Verbot Licht zu entzünden. Statt der Lampe werden heute jedoch vielfach zwei Kerzen bei Einbruch der Nacht entzündet, um den Schabbat einzuleiten.
Ungeklärt ist bis heute die Herkunft der Schabbatlampe aus dem Mindener Museum. Die einzig bekannte schriftliche Dokumentation ist zurzeit eine Inventarkarte aus dem Jahr 1995, die das Objekt als „Alter Bestand“ ausweist. Ein konkreter Zeitraum des Zugangs kann durch diese Einordnung nicht eingegrenzt werden. Da jüdisches Kulturgut zur Zeit der Nationalsozialisten (1933-1945) in Deutschland systematisch beschlagnahmt wurde, kann eine Enteignung somit nicht ausgeschlossen werden. Aufgrund der ungünstigen und teilweise fehlenden Überlieferung besteht zur Objektgeschichte der Schabbatlampe weiterer Forschungsbedarf.