„Das heißt aber nicht, dass nicht weitergearbeitet wurde“, betont Bürgermeister Michael Jäcke. Die Dienststellen waren jederzeit telefonisch oder schriftlich für die Bürgerinnen und Bürger erreichbar. Und davon wurde auch sehr rege Gebrauch gemacht, deshalb seien nicht immer alle Leitungen frei gewesen, so Jäcke weiter. Seit Ende Mai werden für notwendige persönliche Gespräche wieder Termine vergeben, im Bürgerbüro auch online.
„Alle Aufgaben waren zur Weiterbearbeitung aufgerufen“, berichtet der Bürgermeister. Der eingeführte Schichtbetrieb und die Teambildung im Wechsel zwischen Dienst im Rathaus und Homeoffice wurde Mitte bis Ende Mai schrittweise wieder aufgehoben. Der Druck auf einige Dienststellen sei nach wie vor groß. Überstunden hätten, so Jäcke, auch in Zeiten der kompletten Schließung nicht abgebaut werden können. Warum nicht? Das erklären das Bürgerbüro, die Ausländerbehörde und das Standesamt im Folgenden.
Bürgerbüro
„Im Bürgerbüro haben wir alle personellen Möglichkeiten ausgeschöpft und ständig weiter die Abläufe optimiert“, weiß der Erste Beigeordnete Peter Kienzle, der auch die Verantwortung für den Bereich Bürgerdienste hat. Er wirbt für Verständnis bei den Bürgerinnen und Bürger, die „natürlich alle ihre Anliegen schnell erledigt haben wollen“. Aber das sei momentan und in den nächsten Wochen nicht „wie gewohnt“ möglich. Deshalb sei Geduld gefragt. Kienzle bittet die Bürger*innen auch um einen angemessen höflichen Umgang mit den Mitarbeiter*innen: dass es nun zu diesen Verzögerungen komme, sei den notwendigen Beschränkungen durch die Coronapandemie geschuldet und liege nicht in der Verantwortung der Mitarbeiter*innen. Allein das Bürgerbüro schiebt eine Welle von schätzungsweise 12.000 Fällen vor sich her, die wegen des nicht möglichen persönlichen Kontaktes sechs Wochen lang nicht bearbeitet werden konnten. Pro Woche haben vor Corona 2.000 bis 2.500 Einwohner*innen das Bürgerbüro mit diversen Anliegen persönlich aufgesucht.
„In diesen sechs Wochen der kompletten Schließung für den Publikumsverkehr hat das Bürgerbüro weiter alle Anfragen, die telefonisch, schriftlich oder per E-Mail eingetroffen sind, bearbeitet“, streicht Berndt Bornemann, Koordinator im Bürgerbüro, heraus. Und das waren viele. Was nicht erledigt werden konnte, waren die Fälle, wo ein persönliches Vorsprechen zwingend notwendig ist, wie zum Bespiel für die Beantragung eines Ausweisdokumentes oder die Anmeldung des neuen Wohnsitzes.
Bereits kurz nach der Schließung des Rathauses wurden für die Aushändigung von fertigen Ausweisdokumenten ein Ausgabeschalter am Fenster eingerichtet. Auch wurden die Telefonkapazitäten des Bürgerbüros aufgestockt und die Homepage umfangreich überarbeitet. „Die Online-Informationen waren sehr gefragt und haben so manches Telefonat überflüssig gemacht“, berichtet Bornemann. Ungebremst weiter lief auch das Backoffice-Geschäft mit Melderegisterauskünften an zum Beispiel Rechtsanwälte, Inkassounternehmen, Geldinstituten und Zollbehörde sowie die Einarbeitung von Meldungen anderer Behörden.
Seit Einführung der Online-Terminvergabe am 26. Mai für das Bürgerbüro vergeht nicht eine Minute, in der es keine belastenden Gespräche gibt. Momentan beträgt die Wartezeit trotz voller Kapazitätsauslastung drei bis vier Wochen für eine persönliche Vorsprache. „Der Druck ist sehr groß und bei vielen Bürger*innen eben auch der Ärger warten zu müssen“, weiß Berndt Bornemann. Zwei Mitarbeiter*innen sind aktuell wegen der starken Belastung für längere Zeit ausgefallen. Ersatz dafür kann nicht zeitnah bereit gestellt werden, weil die Einarbeitungszeit für die komplexen Vorgänge im Bürgerbüro mindestens ein dreiviertel Jahr beträgt.
Dennoch werde alles Mögliche getan, die Wünsche der Bürger*innen zu erledigen. Alle zur Verfügung stehenden Mitarbeiterinnen sind tatkräftig im Einsatz und bieten zusätzlich für ganz dringende Anliegen Extra-Termine an. Auch wurde für Fälle wie das Beantragen von Führungszeugnissen, Meldebescheinigungen, Melderegisterauskünften, Weser-Werre-Tickets, Untersuchungsberechtigungsscheinen, Steueridentifikationsnummern und Bewohnerparkausweisen sowie Beglaubigungen und An- und Abmeldungen von Hunden ein Schnellschalter eingerichtet.
Die Begleitung der Bürger*innen mit Termin vom Eingang zum Schalter und zurück übernehmen nun Kolleginnen und Kollegen, die aus anderen Dienststellen abgezogen wurden, damit die wertvolle Zeit der Fachkräfte im Bürgerbüro gespart wird. Die arbeiten während der Öffnungszeiten meist stundenlang durch. Verschnaufpausen gibt es erst danach.
Ausländerbehörde
Die Situation in der Ausländerbehörde gestaltete sich etwas anders, denn im Gegensatz zum Bürgerbüro arbeitet die Ausländerbehörde schon seit 2011 mit der Terminvergabe. Hier bestand das Problem eher darin, dass durch die Schließung des Rathauses vereinbarte Termine abgesagt werden mussten und dadurch ein großer Rückstau entstanden ist.
Aber auch hier klingelten „nach kurzer Schockstarre“ an manchen Tagen die Telefone ohne Unterbrechung. Die vielen bereits abgelaufenen Aufenthaltstitel, die somit nicht verlängert werden konnten, sorgten für eine große Unsicherheit bei den ausländischen Kunden. Die Behörde ist Ansprechpartnerin für alle Menschen, die eine ausländische Staatsbürgerschaft besitzen – das sind in Minden immerhin rund 10.500. Viel konnte in den vergangenen Monaten auch schriftlich erledigt werden - aber eben deutlich umständlicher, wenn zum Beispiel Dokumente hin und her geschickt werden mussten, so der Leiter der Ausländerbehörde, Thomas Schickentanz.
Das Post- und Mailaufkommen in der Ausländerbehörde habe sich momentan fast vervierfacht. Zur Zeit schiebt die Ausländerbehörde rund 600 Vorsprachetermine vor sich her, die coronabedingt während der Schließung der Verwaltung nicht wahrgenommen konnten. Dadurch haben sich die durchschnittlichen Wartezeiten auf einen Termin in der Ausländerbehörde, die vor Ausbruch der Corona-Krise bei etwa zwei Wochen lagen, auf derzeit etwa fünf bis sechs Wochen erhöht.
Seit dem 22. Mai 2020 läuft die Ausländerbehörde wieder im Vollbetrieb und arbeitet den Rückstau unter den weiterhin coronabedingten Einschränkungen nach und nach ab. „Es wird aber noch einige Zeit brauchen, bis wir den ausländischen Mitbürger*innen wieder die sehr kurzen Wartezeiten wie vor Ausbruch der Krise, anbieten können“, schätzt Schickentanz.
„Sehr geholfen haben uns Kolleginnen und Kollegen sowie Ehrenamtliche aus dem Bereich Integration, die viele Bürger*innen im Lockdown versucht haben zu informieren“, so Schickentanz weiter. Entlastung brachte auch eine neue Regelung, die die Gültigkeit der Dokumente automatisch verlängerte. Die ausländischen Mitbürger*innen mussten für eine Verlängerung bis zum 31. Mai 2020 nicht persönlich erscheinen. Dennoch gab es viele Fragen und Unsicherheiten.
Mehr als 450 Fiktionsbescheinigungen wurden erstellt, die den in Minden lebenden Ausländerinnen und Ausländern den Aufenthalt weiter fiktiv erlaubte. Auch sind knapp 80 Grenzübertrittsbescheinigungen für Ausländer*innen mit Visum oder visumfreier Einreise ausgestellt worden. Zudem wurden gut 100 Duldungen nicht anerkannter Flüchtlinge verlängert und viele hundert Beratungen von Firmen, Flüchtlingshelfern und Betroffenen gezählt. Weiter gearbeitet wurde auch an den bereits gestellten Anträgen für eine Einbürgerung.
Im Jahr 2019 haben 310 Mindener Bürger die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung erworben. Im Jahr 2020 sind trotz der Pandemie bereits 100 Personen eingebürgert worden. Auch bedingt durch personelle Veränderungen in der Einbürgerungsbehörde liegt die Wartezeit für einen Termin zur Vorsprache in Einbürgerungsangelegenheiten momentan bei rund vier Wochen. Die derzeit eingehenden Beratungswünsche werden erfasst und nach und nach abgebaut.
Alles in Allem - das haben Gespräche mit anderen Städten ergeben - sind diese Wartezeiten für Termine in der Mindener Ausländerbehörde im Vergleich zu anderen Behörden „durchaus moderat“.
Über die eigenen Aufgaben hinaus haben Kolleginnen der Ausländerbehörde in den ersten Wochen nach dem Lockdown auch die Ordnungsbehörde bei Kontrollen zur Einhaltung der Corona-Regeln unterstützt. „Ich konnte auch in Zeiten starker Belastung auf ein gut eingespieltes und engagiertes Team zählen“, lobt Thomas Schickentanz. Das sei sehr wichtig gewesen, weil Angelegenheiten im Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht oft komplex sind. Für jedes einzelne Land bestehen unterschiedliche Regelungen. Nahezu täglich gibt es Änderungen im Recht, die per E-Mail ankommen, gelesen und weitergegeben werden müssen.
Standesamt
Auch in Zeiten von Corona werden Babys geboren und es sterben Menschen. Diese Tatsache hat für das Standesamt der Stadt Minden in den vergangenen Monaten keinerlei Entlastung bedeutet - im Gegenteil. Denn fast alle Anliegen werden zur Zeit schriftlich erledigt. So werden Originalurkunden oder andere Dokumente, die bisher den Eltern oder den Bestattern nach Einsichtnahme bei der persönlichen Vorsprache im Standesamt wieder ausgehändigt wurden, derzeit per Einschreiben an die Adressaten versandt. Auch der Zahlungsverkehr war und ist deutlich aufwändiger.
„Eine Geburtsurkunde kann erst ausgehändigt werden, wenn die Gebühr dafür bezahlt ist. Gleiches gilt für eine Sterbeurkunde“, erläutert Koordinatorin Bettina Reinking. Der Nachweis, dass der Betrag überwiesen wurde, muss als Scan eines Kontoauszuges vorliegen oder als Zahlungseingang bei der Finanzbuchhaltung vermerkt sein. Auch das führt zu Verzögerungen bei der Bearbeitung. Vor Corona erfolgten die Zahlungen in bar bei Abholung der Unterlagen.
Länger dauert es auch, wenn für die Ausstellung einer Geburtsurkunde nicht alle Dokumente der Eltern vorliegen. So müssen neben der eigentlichen Geburtsanzeige des Kindes nicht nur die Geburt von Mutter und Vater, sondern auch der Familienstand nachgewiesen werden. „Bei nicht miteinander verheirateten Eltern muss bei der Geburt eines Kindes auch eine Vaterschaftsanerkennung vorgelegt werden“, berichtet Reinking. Eine Bearbeitung sei erst möglich, wenn alle Unterlagen vollständig vorliegen. Fehlen Dokumente, erfolgt die Anforderung der Papiere schriftlich oder per Telefonat. Verständigungsprobleme führen zu weiteren Schwierigkeiten, denn oft ist „Deutsch“ nicht die Muttersprache der Antragsteller. „Im persönlichen Gespräch lässt sich das besser erklären als am Telefon“, weiß die Standesbeamtin.
Jetzt sind Vaterschaftsanerkennungen sowie die Abgabe namensrechtlicher Erklärungen nach Terminvereinbarung im Standesamt wieder möglich. Aber auch hier sind die Vorschriften der Coronaschutzverordnung einzuhalten.
Die Anmeldung einer Eheschließung erfordert die persönliche Vorsprache in den Diensträumen des Standesamtes. Das ist auch während des Lockdowns nach Terminabsprache in einigen Fällen erfolgt. Für die Gespräche werden die künftigen Eheleute am Eingang von einer Standesbeamtin abgeholt. Nur mit ausgefülltem Zutrittsformular bekommen sie Einlass. Die Antragsteller haben eine Mund-Nase-Bedeckung auf dem Weg zum Büro und wieder zurück zu tragen. Hände und Besprechungsbereich müssen desinfiziert werden – vor und nach dem Gespräch. Alles Aufwand, den es vor Corona nicht gab.
Seit Mitte März sind auch Eheschließungen vollzogen worden, die bereits angemeldet waren – von März bis Mai in ganz kleinem Rahmen und ohne Trauzeugen. Viele Anmeldungen zur Trauung wurden aber storniert oder verschoben. Auch das kostete viel Zeit, wenn zum Beispiel bereits gezahlte Gebühren zu erstatten sind oder die Anmeldung der Eheschließung neu erfolgen muss, weil der Zeitraum von sechs Monaten zwischen Anmeldung und Eheschließung überschritten ist.
Selbst die Durchführung einer Eheschließung nimmt einen größeren Zeitrahmen in Anspruch, da das Trauzimmer nach jeder Eheschließung ausreichend zu lüften ist und Stühle sowie benötigte Utensilien nach jeder Eheschließung zu desinfizieren sind, ergänzt Bettina Reinking.
„An den Abbau von Überstunden war in der ganzen Ausnahmezeit, die noch andauert, nicht zu denken“, macht Koordinatorin Bettina Reinking deutlich. Auch sie hat in ihrem Team mit längerfristigen Ausfällen wegen Krankheit zu kämpfen. Schriftverkehr und Telefonate bedeuten „einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand“, so die Standesbeamtin. Sie rechnet nun mit einem deutlich höheren Aufkommen an angemeldeten Trauungen, wenn seit dem 15. Juli neben dem Brautpaar wieder 18 Angehörige und Freunde bei der Zeremonie dabei sein können und Feiern aus besonderem Anlass wieder mit 150 Personen möglich sind.
Pressestelle der Stadt Minden, Susann Lewerenz, Telefon 0571 89204, pressestelle@minden.de